Keine Nachteile bei der Erbschaftsteuer für Corona-Krisenbetriebe
Eine gute Nachricht gibt es bei der Erbschaft- und Schenkungsteuer. Die Finanzverwaltung hat die Lohnsummenregel bei der Übertragung von Betriebsvermögen temporär entschärft. Werden die für die Verschonung rechnerisch erforderlichen Lohnsummen pandemiebedingt unterschritten, ist eine abweichende Festsetzung oder ein Erlass der Nachversteuerung möglich. Hierzu müssen besondere Kausalitätsanforderungen erfüllt werden.
Das Erbschaft- und Schenkungsteuerrecht enthält Verschonungsregelungen für Unternehmensvermögen. Voraussetzung ist die Fortführung des Betriebs durch den Erben oder den Beschenkten und der Erhalt der Arbeitsplätze. Dementsprechend entfallen die gewährten Vergünstigungen für das Unternehmensvermögen, wenn der Erwerber den Betrieb aufgibt oder verkauft oder wenn Arbeitsplätze abgebaut werden. Die Steuer ist dann nachzuzahlen.
Für begünstigtes Betriebsvermögen mit einem Wert bis 26 Millionen Euro wird grundsätzlich ein Verschonungsabschlag von 85 % gewährt (sog. Regelverschonung). Das bedeutet, dass lediglich 15 % des Betriebsvermögens mit Erbschaftsteuer oder Schenkungsteuer belastet werden. Unter strengeren Voraussetzungen ist es sogar möglich, dass ein Betriebsvermögenserwerb bis zu 26 Millionen Euro für den Erben oder Beschenkten zu 100 % steuerfrei bleiben kann (sog. Optionsverschonung).
Die Vergünstigungen im Falle der Regelverschonung bzw. der Optionsverschonung sind von der Einhaltung bestimmter Voraussetzungen (Behaltensfrist, Lohnsummenklausel) abhängig. So muss der Erwerber bei der Regelverschonung den Betrieb mindestens fünf Jahre fortführen.
Tipp: Was die Lohnsummenklausel anlangt, sind Betriebe mit nicht mehr als fünf Beschäftigten von der Lohnsummenregelung ausgenommen.
Hat der Betrieb mehr als 15 Beschäftigte, muss der Erwerber nachweisen, dass die Lohnsumme innerhalb von fünf Jahren nach dem Erwerb insgesamt 400 % der Ausgangslohnsumme nicht unterschreitet (Mindestlohnsumme). Im Falle der beantragten Optionsverschonung muss der Erwerber eine Behaltensfrist von sieben Jahren einhalten und nachweisen, dass er in diesem Zeitraum die Mindestlohnsumme von 700 % nicht unterschreitet.
Darüber hinaus weist das Lohnsummenerfordernis in Abhängigkeit der Mitarbeiterzahl eine Staffelung aus:
- Betriebe mit mehr als 5 bis zu 10 Beschäftigten dürfen bei der Regelverschonung eine Mindestlohnsumme von 250 % innerhalb des Fünfjahreszeitraums nicht unterschreiten. Bei der Optionsverschonung beträgt die Mindestlohnsumme 500 % innerhalb von sieben Jahren.
- Für Betriebe mit mehr als 10 bis zu 15 Beschäftigten gelten entsprechende Mindestlohnsummen von 300 % (Regelverschonung) bzw. 565 % (Optionsverschonung).
Ausgangslohnsumme ist die durchschnittliche Lohnsumme der letzten fünf Wirtschaftsjahre vor dem Besteuerungszeitpunkt. Bei Unternehmensgruppen im Inland beziehungsweise EU/EWR-Raum zählen auch die von den Untergesellschaften gezahlten Löhne hinzu, vorausgesetzt, die Beteiligung beträgt unmittelbar oder mittelbar mehr als 25 %. Ausgenommen sind in Drittstaaten angefallene Lohnzahlungen.
Voraussetzung für den Verschonungsabschlag von 85 % (Regelverschonung) bzw. 100 % (Optionsverschonung) ist, dass die Lohnsumme des Betriebs innerhalb von fünf bzw. sieben Jahren nach dem Erwerb die Mindestlohnsumme nicht unterschreitet.
Unterschreitet die Summe der maßgebenden jährlichen Lohnsummen die Mindestlohnsumme, vermindert sich der 85 %ige bzw. 100 %ige Verschonungsabschlag mit Wirkung für die Vergangenheit in demselben prozentualen Umfang, wie die Mindestlohnsumme unterschritten wird.
Tipp: Aufgrund der Corona-Krise konnten viele vererbte oder verschenkte Betriebe die Mindestlohnsumme ohne eigenes Verschulden nicht einhalten. Es ist daher nur fair, dass die Finanzverwaltung im Einzelfall eine abweichende Festsetzung oder einen Erlass aus sachlichen Gründen zulässt.
Sachlich unbillig ist die Festsetzung oder Erhebung einer Steuer nämlich, wenn sie zwar äußerlich dem Gesetz entspricht, aber den Wertungen des Gesetzgebers im konkreten Fall derart zuwiderläuft, dass die Erhebung der Steuer als unbillig erscheint. So verhält es sich, wenn nach dem erklärten oder mutmaßlichen Willen des Gesetzgebers angenommen werden kann, dass der Gesetzgeber die im Billigkeitswege zu entscheidende Frage – wenn er sie als regelungsbedürftig erkannt hätte – im Sinne der beabsichtigten Billigkeitsmaßnahme entschieden hätte. Eine Billigkeitsentscheidung darf jedoch nicht dazu führen, die generelle Geltungsanordnung des den Steueranspruch begründenden Gesetzes zu unterlaufen. Sie darf nicht die Wertung des Gesetzes durchbrechen oder korrigieren, sondern nur einem ungewollten Überhang des gesetzlichen Steuertatbestandes abhelfen.
Unter Berücksichtigung dessen kommt im Einzelfall eine abweichende Festsetzung nach § 163 Absatz 1 der Abgabenordnung (AO) oder ein Erlass nach § 227 AO aus sachlichen Gründen bei der Erbschaft- und Schenkungsteuer beim Erwerb begünstigten Vermögens insbesondere in Betracht, soweit die tatsächliche Summe der maßgebenden jährlichen Lohnsummen, in welche Lohnsummen aus dem Zeitraum vom 1. März 2020 bis 30. Juni 2022 einbezogen wurden, die Mindestlohnsumme ausschließlich aufgrund der durch die Corona-Pandemie unterschreitet und es allein deshalb zu einer Nachversteuerung kommt oder kommen würde oder ein Erlass mit Wirkung für die Vergangenheit wegfällt. Führt das Unterschreiten der Mindestlohnsumme darüber hinaus zum vorzeitigen Ende einer Stundung, kommt insoweit eine Weitergewährung der Stundung auf Antrag in Betracht.
Von der erforderlichen Kausalität zwischen der durch die Corona-Pandemie und dem Unterschreiten der Mindestlohnsumme kann in der Regel ausgegangen werden, wenn
- in dem Zeitraum vom 1. März 2020 bis 30. Juni 2022 die rechnerisch erforderliche durchschnittliche Lohnsumme zur Einhaltung der Mindestlohnsumme unterschritten wurde,
- für Zeitraum vom 1. März 2020 bis 30. Juni 2022 Kurzarbeitergeld an den Betrieb gezahlt wurde und
- der Betrieb einer Branche angehörte, die von einer verordneten Schließung wegen der Corona-Pandemie unmittelbar betroffen war.
Die Prüfung ist einzelfallbezogen vorzunehmen. Es dürfen für das kumulative Vorliegen der vorgenannten Kriterien keine anderen Gründe für die Unterschreitung der Mindestlohnsumme (z. B. betriebsbedingte Kündigung) und für die Zahlung des Kurzarbeitergelds an den Betrieb vorliegen.
Tipp: Liegen die drei Umstände nicht kumulativ vor, ist im Einzelfall zu prüfen, ob dennoch von der erforderlichen Kausalität ausgegangen werden kann. So ist es in der Gastronomie nicht selten vorgekommen, dass kein Kurzarbeitergeld an einen Betrieb gezahlt wurde, weil Arbeitsverhältnisse pandemiebedingt bereits zuvor beendet worden waren. Dann ist trotzdem von einer coronabedingten Unterschreitung der Mindestlohnsumme auszugehen.
Auch mittelbare Auswirkungen einer verordneten Schließung wegen der Corona-Pandemie können im Einzelfall für die Annahme der erforderlichen Kausalität genügen und sich beispielsweise ergeben, wenn nicht der Betrieb selbst von einer verordneten Schließung betroffen war, aber sich Folgeauswirkungen auf den Betrieb ergeben haben (z. B. bei einer Textilreinigung von Hotel- und Gastronomiewäsche, bei Beförderungsunternehmen oder bei Brauereien).
Eine abweichende Festsetzung bzw. ein Erlass kommt allerdings regelmäßig nicht in Betracht, wenn schon vor dem Zeitraum vom 1. März 2020 bis 30. Juni 2022 die rechnerisch erforderliche durchschnittliche Lohnsumme zur Einhaltung der Mindestlohnsumme nicht erreicht wurde. In diesem Fall ist das Unterschreiten der Mindestlohnsumme nach Meinung der Finanzverwaltung nicht ausschließlich auf die Corona-Pandemie zurück zu führen.