Einkommensteuerliche Änderungen durch das Jahressteuergesetz 2022 (Teil 1)
Mit dem JStG 2022 hat es zahlreiche Änderungen bei der Einkommensteuer gegeben. Hervorzuheben sind die Verbesserungen beim häuslichen Arbeitszimmer und der Homeoffice-Pauschale sowie die Ertragsteuerbefreiung für kleinere Photovoltaikanlagen und die Erhöhung der Abschreibung für Wohnimmobilien. Wir geben Ihnen einen Überblick über alle wichtigen Neuerungen.
I. Wichtig für alle Steuerzahler
1. Altersvorsorge
- Altersvorsorgeaufwendungen sind bereits ab 2023 – und nicht erst ab 2025 – bis zu einem Höchstbetrag (maximal 26.528 € bei Ledigen und 53.056 € bei Verheirateten) zu 100 % als Sonderausgaben absetzbar. Tipp: Damit erhöhen sich die abziehbaren Aufwendungen im Jahr 2023 um vier Prozentpunkte und im Jahr 2024 um zwei Prozentpunkte.
- Die Eigenheimrenten-Förderung kann auch für energetische Maßnahmen bei selbstgenutzten Wohnungen in Anspruch genommen werden.
- Verfahrensverbesserungen bei der Riester-Förderung.
2. Häusliches Arbeitzimmer
- ‘Modernisierung‘ des Abzugs der Aufwendungen für die betriebliche oder berufliche Nutzung eines Arbeitszimmers in der häuslichen Wohnung ab dem Veranlagungszeitraum 2023 im Hinblick auf die Flexibilisierung der Arbeitswelt als Folge der Corona-Pandemie.
- Neues Wahlrecht, wenn das häusliche Arbeitszimmer den Mittelpunkt der gesamten betrieblichen und beruflichen Betätigung bildet. Tipp: Statt der tatsächlichen Aufwendungen kann alternativ eine Jahrespauschale in Höhe von 1.260 € für das Wirtschafts- oder Kalenderjahr steuerlich berücksichtigt werden.
- Keine Berücksichtigung als häusliches Arbeitszimmer mehr, wenn kein anderer Arbeitsplatz zur Verfügung steht. Ab dem Veranlagungszeitraum 2023 gelten insoweit die Regelungen für die Homeoffice-Pauschale von maximal 1.260 €.
3. Homeoffice-Pauschale
- Unbefristete Beibehaltung der Homeoffice-Pauschale über das Jahr 2022 hinaus.
- Anhebung der Tagespauschale von 5 € auf 6 €.
- Erhöhung des Maximalbetrags von 600 € auf 1.260 € pro Wirtschafts- bzw. Kalenderjahr.
- Ausübung der Tätigkeit in der Wohnung muss mehr als die Hälfte der Gesamtarbeitszeit des Tages betragen.
4. Sonstige Neuerungen
- Steuerpflicht der Gas-/Wärmepreisbremse (Dezemberhilfe) nur bei Steuerpflichtigen, die den Solidaritätszuschlag zahlen müssen. Bei diesen erhöht sich das zu versteuernde Einkommen um die Entlastung.
- Erleichterung bei beschränkt steuerpflichtigen Einkünften aus Rechteüberlassungen.
- Bei der Bauabzugsteuer ist ab 2025 nur noch eine elektronische Steueranmeldung möglich.
II. Wichtig für Familien
- Der Entlastungsbetrag für Alleinerziehende ist ab dem Veranlagungszeitraum 2023 von 4.008 € auf 4.260 € angehoben worden.
- Anhebung des Ausbildungsfreibetrags ab 2023 von 924 € auf 1.200 €.
- Elektronische Meldung durch das Bundeszentralamt für Steuern (BZSt) ab 2024 an die Familienkassen bei jeder Änderung des Wohnsitzes eines Kindes, für das Kindergeld gezahlt wird. Das gilt auch bei einem Umzug im Inland.
- Information der zuständigen Familienkasse durch das BZSt über die Daten des Kindes und der Eltern, wenn bei Geburten ab 2024 eine neue Identifikationsnummer vergeben wird.
- Neuordnung der Freiwilligendienste im Hinblick auf den Kindergeldanspruch der Eltern.
III. Wichtig für Gewerbetreibende
- Wahlrecht zur Bildung von Rechnungsabgrenzungsposten (RAP), wenn die jeweilige Ausgabe oder Einnahme die Grenze für Geringwertige Wirtschaftsgüter (GWG) von 800 € nicht übersteigt.
Tipp: Das Wahlrecht ist einheitlich für alle entsprechenden Ausgaben und Einnahmen auszuüben (erstmals für Wirtschaftsjahre, die nach dem 31.12.2021 enden).
IV. Wichtig für Betreiber von Photovoltaikanlagen
- Abbau steuerlicher und bürokratischer Hürden bei der Installation und dem Betrieb von Photovoltaikanlagen.
- Einführung einer Ertragsteuerbefreiung für bestimmte Photovoltaikanlagen. Einnahmen aus Photovoltaikanlagen sind danach steuerfrei bis zu einer Bruttonennleistung (lt. Marktstammdatenregister) von 30 kWp auf Einfamilienhäusern (einschließlich Dächern von Garagen und Carports und anderen Nebengebäuden) und nicht Wohnzwecken dienenden Gebäuden (z. B. Gewerbeimmobilie, Garagenhof) bzw. 15 kWp je Wohn- und Gewerbeeinheit auf sonstigen Gebäuden (z. B. Mehrfamilienhäuser, gemischt genutzte Immobilien).
- Bei Mischgebäuden ist es für die Steuerbefreiung nicht entscheidend, ob diese überwiegend Wohnzwecken dienen.
Tipp: Es sind somit auch Photovoltaikanlagen auf überwiegend zu betrieblichen Zwecken genutzten Gebäuden begünstigt.
- Die Steuerbefreiung gilt bei mehreren Anlagen bis max. 100 kWp. Diese Grenze ist pro Steuerpflichtigem (natürliche Person oder Kapitalgesellschaft) oder pro Mitunternehmerschaft zu prüfen.
- Die Steuerbefreiung gilt unabhängig vom Zeitpunkt der Inbetriebnahme der Photovoltaikanlage für Einnahmen, die ab dem 1.1.2022 erzielt werden (und nicht wie ursprünglich geplant erst ab dem 1.1.2023).
- Es muss keine Einnahmenüberschussermittlung mehr erstellt werden sowie keine „Anlage G“ und „Anlage EÜR“ abgegeben werden.
- Andererseits sind keine Aufwendungen als Betriebsausgaben absetzbar und es ist kein Verlust verrechenbar.
- Die Frage, ob steuerlich eine Liebhaberei vorliegt, stellt sich nicht mehr.
- Von der Befreiung profitieren nicht nur private Immobilienbesitzer, sondern auch Wohnungseigentümergemeinschaften, Genossenschaften und Vermietungsunternehmen.
- Auf die Verwendung des erzeugten Stroms kommt es nicht an. Tipp: Steuerfrei sind auch Einnahmen aus Photovoltaikanlagen, bei denen der erzeugte Strom vollständig in das öffentliche Stromnetz eingespeist, zum Aufladen eines privaten oder betrieblich genutzten E-Autos verbraucht oder von Mietern genutzt wird.
- Bei vermögensverwaltenden Personengesellschaften (z. B. Vermietungs-GbR) führt der Betrieb von Photovoltaikanlagen, die die begünstigten Anlagengrößen nicht überschreiten, nicht zu einer gewerblichen Infektion der Vermietungseinkünfte.
Tipp: Vermögensverwaltende Personengesellschaften können somit bereits rückwirkend ab 2022 ohne steuerliche Nachteile auf ihren Mietobjekten Photovoltaikanlagen von bis zu 15 kWp je Wohn- oder Gewerbeeinheit (max. 100 kWp) installieren und ihre Mieter mit selbst produziertem Strom versorgen.
V. Wichtig für Arbeitnehmer
- Der Arbeitnehmerpauschbetrag ist ab 2023 von bisher 1.200 € auf 1.230 € gestiegen. Tipp: Tatsächliche entstandene Werbungskosten wirken sich damit erst steuermindernd aus, wenn sie höher sind.
- Erhöhung der Lohngrenze für Pauschalversteuerung bei kurzfristigen Beschäftigungen ab 2023 von 120 € auf 150 € je Arbeitstag. Zudem steigt der maximal zulässige Stundenlohn von 15 € auf 19 €.
VI. Wichtig für Kapitalanleger
- Erhöhung des Sparer-Pauschbetrags ab dem Veranlagungszeitraum 2023 von 801 € auf 1.000 € für Alleinstehende und von 1.602 € auf 2.000 € für Ehegatten.
- Bereits erteilte Freistellungsauträge werden automatisch um 24,844 % erhöht. Ist in dem Freistellungsauftrag der gesamte Sparerpauschbetrag angegeben, sind 1.000 € bzw. 2.000 € zu berücksichtigen.
- Gesetzliche Regelung der ehegattenübergreifenden Verlustverrechnung in der Einkommensteuerveranlagung.
- Einheitliche Regelung des Kapitalertragsteuereinbehalts für Darlehen, die über Internet-Dienstleistungsplattformen vermittelt werden (Crowdfunding).
- Kapitalertragsteuerabzug auch bei Kapitalerträgen aus Kryptowertpapieren.
VII. Wichtig für Vermieter
- Anhebung des linearen Abschreibungssatzes für nach dem 31.12.2022 fertiggestellte Wohngebäude von bisher 2 % auf 3 % der Anschaffungs- oder Herstellungskosten. Das führt zu einer Verkürzung des Abschreibungszeitraums von bisher 50 auf 33 Jahre. So soll ein Beitrag zur Unterstützung einer klimagerechten Neubauoffensive geleistet werden. Tipp: Die Erhöhung der Abschreibung – auch Absetzung für Abnutzung oder kurz AfA genannt – gilt auch für Wohngebäude, die zu einem Betriebsvermögen gehören (z. B. an Arbeitnehmer vermietete Wohnungen).
- Kein Verbot einer kürzeren tatsächlichen Abschreibungsdauer ab 1.1.23. Ein entsprechender Nachweis (beispielsweise mithilfe eines Gutachtens) ist weiterhin möglich.
- Verlängerung und Modifizierung der Sonderabschreibung nach § 7b EStG für Mietwohnungen (mit Effizienzhausstandard 40 und Baukosten von maximal 4.800 € pro qm Wohnfläche), für die der Bauantrag zwischen dem 1.1.2023 und dem 31.12.2026 gestellt wird oder eine entsprechende Bauanzeige erfolgt. Neue Wohnungen, die aufgrund eines Bauantrags oder einer Bauanzeige im Jahr 2022 hergestellt werden, sind von der Sonderabschreibung ausgeschlossen. Tipp: Begünstigt sind Anschaffungs- oder Herstellungskosten bis 2.500 € je qm Wohnfläche.
VIII. Wichtig für Rentner und Pensionäre
- Rückwirkende Steuerfreistellung des Grundrentenzuschlags seit erstmaliger Gewährung in 2021.
Tipp: Bereits abgegebene Einkommensteuererklärungen und bestandskräftige Steuerbescheide für 2021 werden von den Finanzämtern automatisch korrigiert.
- Keine Umsetzung der Ankündigung im Koalitionsvertrag, den steuerpflichtigen Rentenanteil zu verringern. Nach geltendem Recht ist ab 2040 der Gesamtbetrag der Rentenleistungen voll zu versteuern.
Tipp: Neurentner in 2022 müssen 82 % und Neurentner in 2023 83 % ihrer Rente versteuern.
- Steuerpflicht der Energiepreispauschale für Rentner (als sonstige Einkünfte) und Versorgungsbezieher (als Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit). Dadurch werden in diesem Jahr Mehreinnahmen von 520 Mio. € erwartet.